Gymi-Lehrer fordert Schülerinnen und Schüler zur Corona-Demo auf!

An einem Innerschweizer Gymnasium erzählt ein Fachlehrer seinen Schülerinnen und Schülern, er nehme am Wochenende an einer Demonstration gegen Corona-Massnahmen teil. Wer Mut habe, solle ihn begleiten und ein Zeichen gegen den totalitären Staat setzen. 24 Stunden später ist in der idyllischen Gemeinde der Teufel los! Eltern wenden sich entrüstet an die Schulleitung und äussern sich schockiert in den lokalen Medien. Die Rektorin versucht, die Wogen zu glätten – was allerdings misslingt.

Die Rektorin wird von der Entwicklung völlig überrascht: Bereits eine halbe Stunde nach der ersten aufgebrachten Nachricht einer Mutter meldet sich der Reporter der Lokalzeitung und möchte ein Statement von ihr. Besorgt um den guten Ruf der Schule erklärt sie ihm, es handle sich um einen Einzelfall. Sie werde mit der betreffenden Klasse reden, weitere Massnahmen seien nicht notwendig. Sie hofft, die Lage damit beruhigen zu können, und – erreicht das Gegenteil. Nicht nur die Schule, sondern gleich die ganze Kleinstadt gerät in den medialen Fokus. 

Die Geschichte hat sich so nie zugetragen. Gleichzeitig kommt es in pädagogischen Institutionen vermehrt zu kommunikativen Unfällen – während der Pandemie noch mehr als sonst. Zahlreiche Schulleitungen sind auf Krisen und Konflikte kommunikativ nicht vorbereitet. Sie haben für anspruchsvolle Fälle weder Abläufe noch Wordings definiert. Dabei gibt es bewährte Grundsätze. Schauen wir den Fall nochmals an:

Rasch, aber nicht unvorbereitet agieren
Die Rektorin gibt dem Lokalreporter spontan Auskunft. Besser wäre folgende Antwort gewesen: «Um 18 Uhr orientieren wir über das weitere Vorgehen. Auf welchem Kanal darf ich Ihnen unsere Stellungnahme zukommen lassen?» So hätte sie Zeit gewonnen und sich intern absprechen können. In einem grösseren Krisenfall wäre es sogar sinnvoll, eine Medienkonferenz anzukündigen.

Niemals bagatellisieren
Die Aussage, es handle sich um einen Einzelfall, signalisiert, dass man den Fall nicht besonders ernstnimmt. Damit werden Wut und Widerstand nicht beruhigt, sondern weiter angefacht. Gute Krisenkommunikation beginnt deshalb immer mit der Botschaft: «Wir haben das Problem erkannt und sind dabei, das weitere Vorgehen zu planen». Das schafft Vertrauen und sorgt temporär für Ruhe.

In Einklang mit dem eigenen Leitbild handeln
Falls eine Institution über klare Werte verfügt, bietet eine Krise die wirksamste Plattform, solche zu kommunizieren. Teil 2 der Botschaft hätte entsprechend lauten können: «Der offene Austausch mit den Jugendlichen und ihren Bezugspersonen geniesst an unserer Schule höchste Priorität. Wir werden deshalb mit dem Schülerinnen- und Schülerrat und dem Elternrat Kontakt aufnehmen». Die Aussage der Rektorin, sie werde mit der Klasse reden, transportiert hingegen keine Werte, sondern demonstriert höchstens die hierarchischen Verhältnisse.

Die erste Massnahme bekanntgeben
Betroffene und Öffentlichkeit erwarten in einer Konflikt- oder Krisenlage stets, «dass etwas geht». Untätigkeit schafft Unruhe. Teil 3 der Botschaft muss deshalb immer die Ankündigung einer sinnvollen ersten Massnahme sein. Im vorliegenden Fall hätte sie so lauten können: «Wir haben entschieden, dass die betreffende Lehrperson bis auf Weiteres im Teamteaching mit einer erfahrenen Kollegin unterrichtet. Damit wollen wir verhindern, dass es zu einer ähnlichen Situation kommen kann». In den Raum zu stellen, es brauche keine Massnahmen, ist in jedem Fall ungeschickt und löst mit Sicherheit Unmut aus. Oft sorgt die Ankündigung einer kleinen Massnahe bereits für so viel Ruhe, dass das weitere Vorgehen behutsam und ungestört geplant werden kann.

Kurz zusammengefasst: Die erste Botschaft in einer Krisensituation sollte drei Aussagen umfassen: 1. Wir haben das Problem erkannt. 2. Wir handeln im Einklang mit unseren Werten. 3. Wir haben bereits erste Massnahmen eingeleitet, um eine ähnliche Situation zu verhindern. 

Power-Team bilden
In einer Krise muss klar sein, wer für Betroffene und Öffentlichkeit die Ansprechperson ist. Im vorliegenden Fall ist es sinnvoll, dass die Rektorin diese Rolle übernimmt. Dies bedeutet, dass niemand ausser ihr im Namen der Schule kommuniziert. Dass eine einzige Person die Kommunikation bündelt, bedeutet allerdings keineswegs, dass diese Person einsam agiert. Im Idealfall bildet sie von Beginn weg ein kleines Kompetenzteam mit zwei bis drei Personen ihres Vertrauens. Diese Personen sind im besten Fall intern und extern anerkannt, kommunikativ versiert sowie rund um die Uhr verfügbar. So wird jede einzelne Botschaft, die nach innen oder aussen geht, im Team abgestützt und danach von einer einzigen Person kommuniziert. 
Zudem gilt: Krisenkommunikation muss in ruhigen Zeiten vorbereitet werden. Dazu gehört, Verantwortlichkeiten, Strukturen, Abläufe und Wordings zu klären.

André Kesper ist Kommunikations- und Organisationsberater. Er berät und coacht Sie in anspruchsvollen Ausgangslagen. Möchten Sie sich unverbindlich austauschen? Rufen Sie ihn an unter 079 411 81 35.